Adam Bota

Preparing For Darkness Volume 2: Breaking God’s Heart

25|09|2018 - 30|09|2018

On the Occasion of Berlin Art Week
September 25 – 30, 2018
Kühlhaus am Gleisdreieck
Luckenwalder Straße 3, 10963 Berlin
U1 / U2 Am Gleisdreieck
Exhibition space: 1500 m² (4th and 5th floor)

Curated by Uwe Goldenstein

Opening: September 25, 7pm
September 26, 5pm: film screening of “Vor Tür und Wand” about the artist Miriam Vlaming
September 28, 5pm: artist talk / Sept. 30, 3pm: Finissage

Open daily from 1 to 7pm. Admission free

Download Press Release (dt.):
PM Preparing for Darkness, Vol.2

A catalogue will be published. Text see below.

Artists: Inna Artemova, Shigeo Arikawa*, Daniel Behrendt, Radu Belcin, Adam Bota, Rudy Cremonini, Fabio la Fauci, Simone Haack, René Holm, Shingo Inao*, Maurizio L´Altrella, Adam Magyar, Valentina Murabito, Gabor A. Nagy, Enda O´Donoghue, Flavia Pitis, Juan Miguel Pozo, Michael H. Rohde, Nicola Samorì, Steffi Stangl, Stepanek & Maslin, Richard Stipl, Attila Szücs, Alexander Tinei, Miriam Vlaming, The √ision, Claudia Virginia Vitari, Josef Zlamal, Alexander Zakharov

*: selected by Galerie Mazzoli, Berlin

The exhibition is supported by SMART DIMENSIONS – 3 D Video Production, Berlin

Breaking God’s Heart

Angesichts einer Gegenwart, die sich in Form einer bedeutungslosen medialen Fläche unentwegt ausbreitet…
Angesichts einer Zeit, in der nahezu alle geschichtlichen Zeichen abrufbar sind und auf einer einzigen unendlichen Ebene der Kontingenz nur noch mit sich selbst konkurrieren, ohne jemals zu einem kontemplativen Moment zu gelangen…

Eine solche Zeit, die mit ihren omnipräsenten, die menschliche Existenzform nahezu durchdringenden und vereinnahmenden digitalen Bilder- und Soundfluten eine schleichende aber dramatische Entmystifizierung in exponentieller Weise vorantreibt und damit die Welt auf diese Weise ganz für sich beansprucht, verlangt nach einer konzentrierten, reaktionären Aktion, welche diese Phänomene zum einen aufzunehmen und zugleich auszumanövrieren imstande ist. Diese Aktion kann sich aus der Gegenwartskunst gebären, insofern, dass ihre Kunstwerke sich dem mächtigen medialen Umnutzungsprozess widersetzen können und sie eine wahrhaft ästhetische und damit bedeutungsvolle und gerichtete Kommunikation anzuregen vermögen.

Denn die abgeschottete Sphäre der Kunst bietet auch nach Andy Warhol eine ungeahnte Möglichkeit, die virtuell-banale Verzeichnung unserer Zeit zu thematisieren. Ihre Kraft liegt in ihrem genuin eigenen historischen Verweissystem, das eine ruhige, rückbesinnliche, symbolische Verhandlung von Phänomenen zulässt. Dazu bedarf es allerdings einer hohen künstlerischen Fähigkeit, um selbst im geschützten Kunstraum einen Impuls in die Außenwelt zu senden, der sich dann mehr und mehr in einen Rückzug verwandelt. Dieser Impuls kann zugleich ein ästhetischer Schock sein. Ein Schock des Betrachters vor der Fähigkeit des Künstlers, der, wie in dieser Ausstellung prägend, mit einer atemberaubenden, der technischen Duplizierung erhabenen Ästhetik die Seele anrührt, ohne dabei die Wirklichkeit auszublenden, sondern ganz gegenteilig sich strukturell auf sie bezieht, ihre simulativen Methoden rezipiert und zu überbieten weiß. Eine solche Kunst wird das Potenzial des Widersetzens gegen die Vereinnahmungskraft der technischen Medien in ein Immunsystem verwandeln, das einen Rückzugsraum bereit stellt, in dem die technisch durchwirkte und bis in ihr Mark durchrationalisierte Wirklichkeit zumindest für die Zeit der Anschauung auf Distanz gehalten werden kann. Gerade mit dem Blick auf die Entzugsmöglichkeiten der Malerei kann das Dilemma der stetigen technischen Aufrasterung unserer Welt überwunden werden.

Mit dieser Perspektive ausgestattet und nicht von ungefähr bietet sich der Vergleich und die Patenschaft mit den ebenfalls auf Rückbesinning und Distanz zur modern werdenden Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerichteten englischen Prä-Raffaeliten an. John Everett Millais’ Ophelia (vgl.Abb.unten) scheint, umringt von einer unheimlich detailgetreuen Wiedergabe der Natur, der Zeit entschwinden zu wollen. Beim deutsch-englischen Malerduo Stepanek & Maslin (vgl. Abb. über diesem Text) ist die Natur in ähnlich pantheistischer Weise wiedergegeben. Nur schwirrt bei ihnen mitunter eine unscharfe und nach Orientierung suchende Menschenmenge durch den Wald hindurch. Solcherart offenbart das Künstlerpaar eine zeitgemäße Schwerelosigkeit, die sich zwischen Mensch und seinem Ursprung und Lebenselexier zu legen beginnt. Die anonyme Installationsgruppe The √ision gibt diesem Schwebezustand auch in symbolischer Hinsicht einen weiteren Stoß in Richtung kunsthistorische Immanenz. Wo sich beispielsweise bei den eingelegten Tierleichen von Damien Hirst noch der überhöhte Tod oder bei Beuys die schamanische Praxis der medialen Umnutzung zu widersetzen versucht, bringt The √ision ein Vogelnest eines tierischen Erbauers zusammen mit einem wie bei Brâncuși glänzenden Eis eines toten Fasans ins Spiel, um auch den abgeschotteten Kunstdiskurs selbst herauszufordern. Das Goldene Ei liegt unschuldig da und lässt doch zwangsläufig ans götzenhafte Goldene Kalb denken (vgl.Abb.unten).

Die Künstler dieser Schau scheinen sich demnach gar an den Weltenschöpfer selbst zu wenden, um vehement ihr freiheitliches Terrain visionärer Verdichtung zu verteidigen. Auf ihre Weise versuchen sie sich ein wenig rückanzunähern an das einst ganzheitliche, vollkommene und mystische Sein. Denn voller Illusionen erblickte der Mensch irgendwann die Welt und ist nunmehr mit der Wahnsinnsleistung der Menschheit konfrontiert: der totalen Übersetzung der Welt in eine durchdigitalisierte Parallelwelt. Das konnte wohl selbst sein Schöpfer nicht ahnen. Der fortschreitende Übertritt in diese künstlichste aller Welten würde wohl selbst das Erschafferherz mit Trauer tränken. Jegliche authentisch anmutenden Erfahrungen und Erlebnisse werden hingegen mit dieser Schau an das rettende Ufer der Insel namens Kunstimmanenz verlagert. Die Künstler von Breaking God’s Heart gehen an die Grenze des ästhetisch Erschaffbaren und sind gewappnet, selbst einem irgendwie gearteten Gott und Meister auf Augenhöhe begegnen zu können, indem sie mit aller Intensität, durchaus emotional und mit allerhöchster Konzentration einen transmodernen magischen Pantheismus propagieren.

Uwe Goldenstein

 

Breaking God’s Heart

Facing the present age, relentlessly spreading itself in the form of an empty medial expanse…

Facing an era in which almost all historical markers are retrievable and compete with each other on a single, never-ending plain of contingency, without ever reaching a contemplative moment…
This era, its omnipresent, digital, human existence form saturating, image and sound torrents, drives on a gradual but dramatic demystification in an exponential mode. It demands a concentrated reactionary act, which is both capable of incorporating and outmaneuvering this phenomena simultaneously. This act can be contemporary art, in as much as art works can oppose the process of medial appropriation and stimulate a truly aesthetic, thus meaningful and concerted communication.

The isolated sphere of art, even post-Andy Warhol, offers an unforeseen opportunity to address the virtual-banal distortion of our time. Its strength lies in its own genuine historical reference system which allows for a peaceful, reflective and symbolic appraisal of a given phenomenon. And this requires a high level of artistic skill so as to transmit – even from within the sanctuary of the art space – an impulse to the outside world. At the same time, this impulse can be an aesthetic shock: the shock of the observer at the skill of the artist who, as is evident in this exhibition, touches the soul by means of a breathtaking aesthetic that is above and beyond technical duplication. But this is achieved without blocking out reality: on the contrary reality is addressed through structural reference, with the aesthetic adopting its simulative methods and surpassing them. Such art will convert the potential of this resistance – which is to say the resistance against the assimilative forces of media technologies – into an immune system which provides a place of sanctuary, whereby our reality, enwrought in technology and rationalized to its core, is kept at a distance, at least for the duration of that period during which the viewer observes a work. It is now that we find, when turning to the sanctuary afforded to us by the painted form, a means of overcoming the dilemma of the increasing technical saturation of our world.

Endowed with this vision – and by no means by chance – one arrives at comparisons with the traditions laid down by the English Pre-Raphaelites who also sought space for reflection and a distance from the increasingly modernized world of the mid-19th century. John Everett Millais’ Ophelia (see image above the text), submerged in an incredibly faithful portrayal of nature, seems to want to disappear from time. In the work of the German-English duo Stepanek & Maslin, nature is conveyed in a similarly pantheistic way (see image above). There is the whirring of a hazy mass of people searching for guidance as they move through the woods. Such work reveals the pair’s contemporary weightlessness which comes to rest between man, his origins and the elixir of life. The anonymous installation group The √ision gives this suspended condition, also from a symbolic perspective, a further push in the direction of art historical immanence. Where with Damien Hirst the elevated death – or in the case of Beuys the shamanic praxis – strives for a form of resistance against media appropriation, the √ision bring together the bird’s nest of a faunal creator and the gleaming Brâncuși-esque egg of a dead pheasant – all as a means of challenging the isolated artistic discourse itself. The Golden Egg lies there, innocent, but prompts us to think of the idolatry of the golden calf (see image above).

The artists involved in this show seem indeed to turn to the world’s creator in order to vehemently defend their free terrain of visionary concentration. In their own way, they are attempting to retreat back towards what was once a consummate, holistic, and mystical existence. Indeed, at some point one pauses to behold the world, confronted with that titanic contribution of humanity: the total transition of the world into a thoroughly digitalized parallel reality. Not even man’s creator himself could have predicted it. That continued path into the most artificial of worlds would sink even the heart of the Maker. In contrast, this show relocates authentic experience to the redemptive shores of an island called artistic immanence. The artists of Breaking God’s Heart tread the boundaries of what is aesthetically possible: they are armed and ready to look any kind of God/Master in the eye, by propagating a magical, transmodern pantheism with maximum intensity, emotion and concentration.

Uwe Goldenstein

 

 

 

 





Radu Belcin, Shining in the Shadow II, 2015, oil on canvas, 65 x 50cm
René Holm, And I See A Darkness, 2018, oil on canvas, 170 x 160cm
John Everett Millais, Ophelia, 1851–52, Öl auf Leinwand, 76,2 × 111,8 cm copyright: Tate Britain
Adam Magyar, Stainless B.14536 (Paris, 2011), silver gelatin print, 40x84cm, 3/3