RUSSISCHER THEATERFRÜHLING

03|11|2016 - 05|11|2016

Anlässlich der 25-jährigen Städtepartnerschaft Berlins und Moskaus präsentiert Mediaost vom 28.10. bis 08.11.2016 bereits zum zweiten Mal den „Russischen Theaterfrühling“ und holt insgesamt sechs unterschiedliche russische Theaterproduktionen auf Berlins Bühnen.

Der Titel des Festivals ist auch in diesem Jahr programmatisch und greift aktuelle gesellschaftliche Themen gekoppelt mit höchst innovativen Formaten auf. Während die westliche Wahrnehmung des russischen Theaters von klassischen Formaten und Inhalten geprägt ist, brodelt es derzeit in Moskaus Kulturszene. Es wird mit Sprache, Form und Inhalt experimentiert, Genres vermischt und somit einzigartige Inszenierungen geschaffen, die den vielschichtigen Zeitgeist der russischen Hauptstadt widerspiegeln. Die Szene erfindet sich neu, alternative Spielplätze, Off-Spaces und freie Pop-Up Projekte prägen die Kulturlandschaft und das neue russische Theater. Im Rahmen des Theaterfrühlings hat das Berliner Publikum die Gelegenheit die beliebtesten und meist diskutierten Stücke der letzten Spielzeit der Moskauer Theater Praktika, teatr.doc und Meyerhold-Zentrum sowie erstmalig auch der freien Projekte Offene Szene und Pop-Up Theater aus St. Petersburg zu sehen.

Die ausgewählten Werke lassen sich in ihrer vielfältigen ästhetischen Umsetzung nur schwer unter einen Hut bringen und zeigen die gesamte Bandbreite moderner Theaterkunst. Der Aufbau der Inszenierungen spiegelt genannte Modernität der russischen Theaterszene wider und überrascht mit musikalisch-literarischen Inszenierungen, One-Man-Shows, Verbatim-Stücken, autobiografischen Monologen und Performances, die die Grenzen zwischen Bühne und Publikum verschwinden lassen. Thematisch bewegen sich die Inszenierungen rund um den Themenkomplex Widerstand – ob stiller, sexueller, zwischenmenschlicher oder politischer Façon – offen und unverhüllt bewegen sich die Helden der Inszenierungen auf verschiedenen Ebenen des persönlichen Widerstandes und erschöpfen dessen (Un-)Möglichkeit durch Rückgriff auf verschiedene Ausdrucksformen.

Die Eröffnung des Russischen Theaterfrühlings findet am 28.10.2016 ab 19:00 Uhr im Theaterforum Kreuzberg statt und wird mit der Performance Доступ (Zugang) des jungen russischen Regisseurs Ilja Kiporenko eingeläutet. Anschließend wird das musikalische Spektakel „UMSTURZ” präsentiert.

Eintrittskarten sind ab sofort in den Spielstätten sowie an den bekannten Theaterkassen telefonisch oder online erhältlich.

Im Kühlhaus werden 2 Stücke aufgeführt:

Sascha bringt den Müll raus

03.11.2016, Beginn 19 Uhr

04.11.2016, Beginn 18.30 Uhr + 21 Uhr

Meyerhold-Zentrum, 2015

Von Natalja Woroschbit Regie: Wiktor Ryschakow Ausstattung: Olga Nikitina Mit: Swetlana Iwanowa-Sergeewa, Inna Suchoretskaja, Alexander Userdin

Dauer: 1 Stunde 10 min. Altersbeschränkung: 14+ Deutsche Übertitelung

Trotz vermeintlich erfolgreicher menschlicher Versuche dem Krieg ein für allemal ein Ende zu setzen, humanistische und pazifistische Werte zu stärken, kehrt er doch immer wieder in unterschiedlichen Formen zurück und fordert aufs Neue heraus. Während er das eine Mal noch so weit weg scheint, steht er das nächste Mal schon vor der eigenen Tür, was nicht zuletzt der aktuelle Konflikt in der Ukraine beweist.

In „Sascha, bring den Müll raus” verliert der Krieg seine historischen, nationalen Züge und wird als zeit- und grenzenloses Übel thematisiert, welches tief in die individuelle Lebensrealität eingreift, die Menschen und deren Auffassung vom Leben – und vom Tod – verändert und schneller da ist, als du denken kannst. Die Geschichte des an der Front gefallenen Offiziers Sascha, seiner zurückbleibenden Mutter und schwangeren Frau wird in präziser, eindringlicher Sprache erzählt und dreht sich vielmehr um die alltäglichen Herausforderungen im Krieg, um Geschlechterrollen, zwischenmenschlichen Beziehungen, Sehnsüchte und Ängste, als um die politischen und nationalen Dimensionen dessen. Sie stellt die Frage danach, was man – hätte man eine zweite Chance – anders oder besser machen würde oder, ob der Gang der Dinge schließlich doch unverändert bliebe.

Das Stück entstand als Zusammenarbeit der bekannten ukrainischen Autorin Natalija Woroschbit und des russischen Regisseurs Wiktor Rischakow und ist diesjähriger Teilnehmer des Spezialprogramms „Russian Case“ des renommierten russischen Theaterfestivals „Goldene Maske“.

Schweigen 

05.11.2016, Beginn 19 Uhr

Theater.doc, 2015

Projekt von Wsewolod Lisowskij Mit: Aleksej Judnikow

Dauer: 60 min. Deutsche Übertitelung

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – trifft das Motto der konzeptuellen Performance, des Happenings von Wsewolod Lisowskij wohl am besten und führt das Publikum an die Grenzen des klassischen Theaterbesuchs. Ganze 60 Minuten lang schweigt es gemeinsam mit dem Schauspieler auf der Bühne zu einem zu Beginn annoncierten Thema, wobei auch der Schauspieler dieses erst beim Betreten der Bühne erfährt. Ab diesem Moment läuft die Zeit und das gemeinsame Schweigen beginnt. Die Aktualität der Performance ergibt sich aus der Schnelllebigkeit und dem zunehmenden Kommunikationszwang unserer Gesellschaft, aus der immer weiter schwindenden Bereitschaft einfach mal nichts zu sagen und nachzudenken. Lisowskij bietet dem Publikum diese Mangelware eine Stunde lang an und schafft somit ein einzigartiges Theatererlebnis, welches jedes Mal aufs Neue unvorhersagbar ist. Der Schauspieler Aleksej Judnikow stellt sich dieser absonderlichen und verzwickten Aufgabe gekonnt und schlüpft in die Rolle einer Person, die sich zum jeweiligen Thema ohne Bewegung, Mimik und Gestik – schweigend – Gedanken macht und das Publikum gleichzeitig involviert.

Der Autor Wsewolod Lisowskij ist außerdem Regisseur und Initiator vieler weiterer ungewöhnlicher und unvorhersehbarer Projekte. Mit großem Erfolg ist „Schweigen“ auf die Liste „Moskaus und St. Petersburgs 100 beste Stücke“ von Afisha-Daily gekommen, die „man in seinem Leben gesehen haben muss, solange sie noch geführt werden“.