Love stories & songs of our neighbours

14|02|2022

Beginn 20 Uhr

Einlass 19:30 Uhr

Release-Konzert 

LOVE STORIES &

THE SONGS OF OUR NEIGHBOURS 

mit Julia Smirnova (Violine), Danae Dörken (Klavier)

und Konstantin Manaev (Violoncello) 

Bestes Geschenk zum Valentinstag! 

Mit freundlicher Unterstützung von C. Bechstein Centrum Berlin

 

Bitte reservieren Sie Tickets unter: wenzler@kuehlhaus-berlin.com

 

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Bitte beachten, dass Konzert findet unter 2G+ Regeln statt. 

Eintritt frei 

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Der in Berlin lebende Cellist Konstantin Manaev präsentiert exklusiv hier im Kühlhaus, zum Valentinstag seine zwei neuen Alben, welche beim Musiklabel ARS Produktion im Februar 2022 erscheinen: The Songs Of Our Neighbours mit der jungen Rising-Star Geigerin Julia Smirnova und Love Stories mit international bejubelter Pianistin Danae Dörken. 

Das Konzertprogramm des Abends beinhalt Werke aus beiden Alben, u.a. die Ersteinspielungen von neuen Stücken von Johanna Doderer, Aziza Sadikova und Gordon Hamilton, und zum Abschluss erwartet das Publikum das schönste und romantischste Klaviertrio Nr. 1 von dem russischen Meister Dmitri Schostakowitsch.

Nach dem Konzert besteht für unsere Gäste eine Möglichkeit von den Musikern unterzeichnete CDs zu erwerben. 

Großzügige Spende in die Kühlhaus-Kollekte wird erwartet. 

Achtung! Es gelten 2G+ Regeln. 

https://www.konstantinmanaev.com

http://danae-doerken.com

https://www.ars-produktion.de 

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Über die Alben

DIE LIEDER AUS DER NACHBARSCHAFT

Die Geigerin Julia Smirnova und der Cellist Konstantin Manaev sind nicht nur am Konzertpodium ein Duo, sondern auch im Privatleben ein Paar. „Wir spielen zwei Instrumente und haben zwei Temperamente“, sie meinen: „wir verkörpern gleichsam Yin und Yang. Alle Werke auf dieser CD haben einen direkten Bezug zu unserem künstlerischen Leben und öffnen die Türen zu unserer musikalischen Welt.“ Das Duo bevorzugt zeitgenössische Musik, „welche die Gefühle des Publikums berührt.“ Es ist Musik, die viel Liedhaftes in sich birgt – und es sind Stücke von komponierenden Menschen, die nicht nur zur räumlichen und zeitlichen, sondern darüber hinaus zur emotionalen Nachbarschaft der Ausführenden gehören. 

So stehen am Beginn und am Ende Stücke eines russischen Landsmanns, Georgy Swiridow (1915-1988), eines Musikers, der im Westen noch am ehesten als Komponist von Zugaben, die russische Orchester spielen, bekannt ist. Ansonsten steht er im mächtigen Schatten von Schostakowitsch. Doch Swiridow war in der Tat ein Meister der kleinen Form. Drei seiner melodisch-rhythmisch einprägsamen, pointiert instrumentierten und in aller Kürze stimmungsvollen Orchesterstücke hat das Duo für sich arrangiert. 

Beim Lied aus dem Ural denkt der Cellist an seine Heimatstadt Jekaterinburg, nahe der imaginären Grenze zwischen Europa und Asien, die über die Gebirgskette des Ural verläuft. Seine Partnerin erinnert sich, Swiridows Suite über die vorwärtsschreitende Zeit als Kind im alten Radio ihres Großvaters gehört zu haben – mit Begeisterung und schon damals wahrgenommen als „kompromisslose Energie des Rhythmus.“ Das kleine, feine, ebenfalls rhythmisch bezwingende Stück Chastushka (Liedchen) am Ende dieses Programms bezeichnet ein 1870 vom Schriftsteller Gleb Uspenski unter diesem Titel zusammengefasstes Genre der russischen Folklore, welches bäuerliche Spiel- und Tanzlieder, Hochzeitsmusik sowie städtische Lieder über aktuelle Themen beinhaltet. Letztere, improvisierte Strophen im Rahmen vorgegebener Form, sind mit den „Gstanzln“ der alpenländischen Volksmusik vergleichbar. Swiridows Anverwandlung folkloristischer Motive hat in allen drei Fällen mitreißend slawische Atmosphäre und originellen Charme. 

Johanna Doderer, die in der Oper und im Konzertsaal erfolgreiche und unverwechselbare Komponistin aus Österreich, schildert in ihrem Stück Volcano die eruptiven Ausbrüche eines Vulkans. Könnte der sich auch im Inneren eines Menschen befinden? Der Höreindruck legt es nahe. Das virtuose, im Rahmen phantasievoll ausgeloteter, freier Tonalität geschriebene Stück war ursprünglich eine Konstantin Manaev gewidmete Solokadenz, die nun von ihrer Schöpferin für das Duo bearbeitet wurde. 

Darauf folgt, so erzählt das Duo, „das erste große Werk, das wir gemeinsam erarbeitet haben.“ Das op. 7 Zoltán Kodálys gilt als Standardwerk für diese Besetzung. Kodály war nicht nur ein Studienkollege Bartóks, sondern wie dieser und in jungen Jahren an dessen Seite ein leidenschaftlicher Erforscher und Sammler der Folklore seiner ungarischen Heimat und des gesamten Balkans. Sein persönlicher Stil ist verbindlicher und traditioneller als der Bartóks, in dessen Schatten er ein wenig steht. Außerdem hat er Ungarn nie verlassen, sondern sich immer geschickt mit dem jeweiligen Regime arrangiert. So wurde er auch zum Schöpfer eines vor allem auf Gesang basierenden, wichtigen Systems musikalischer Früherziehung, der „Kodály-Methode“, einer mehr als nur interessanten Konkurrenz oder Ergänzung zum Orff-Schulwerk. Kodálys „erwachsene“ Musik ist denn auch stets von gesanglichen Linien wesentlich mitbestimmt. Er war auf seine Art ebenfalls ein Meister der Verwandlung unwiderstehlicher magyarischer Weisen und Tänze in kunstvoll harmonisierte Musik, was auch das Duo für Violine und Cello in drei packenden, mit lustvoller Tanzlaune und leiser Wehmut verknüpfender, klassischer Form folgenden Sätzen zeigt. Es stammt aus dem Jahr 1914 und entstand am Vorabend des 1. Weltkriegs. 

Aziza Sadikowa kommt aus Russland und lebt wie das Duo, mit dem sie befreundet und dem das farbenreiche Stück For Stradivari zugeeignet ist, in Berlin. „Ich liebe den Klang dieser alten Streichinstrumente“, schreibt die Komponistin, „und schöpfe meine Inspiration aus der historischen Periode, in der Maestro Stradivari seine Geigen gebaut hat“, also aus der Hochblüte des italienischen Barock. 

Der tschechische Musiker Ondřej Kukal hat am Prager Konservatorium Geige bei Josef Vlach, Komposition bei Jindrich Feld und Dirigieren bei Vladimir Válek studiert. Sein reiches, im Grunde kreativ gehandhabter Tradition treu gebliebenes Œuvre umfasst mittlerweile Orchesterwerke, viele Instrumentalkonzerte, geistliche Stücke und Kammermusik. Als Mitglied des „Neuen Vlach-Quartetts“ widmete er das wirkungsvolle Duo für Violine und Cello mit dem Titel Present 1992 seinen Kollegen – es ist wahrlich ein schönes, prächtig klingendes Geschenk. 

KLINGENDE GESCHICHTEN VON DER LIEBE

Astor Piazzolla, in Mar del Plata in Argentinien als Kind italienischer Eltern geboren, übersiedelte mit seiner Familie als Vierjähriger nach New York. Der Vater betrieb einen Friseursalon, war ein musischer Mensch und liebte den Tango. Der kleine Astor interessierte sich mehr für Bach und für den Jazz, lernte aber nicht nur Klavier, sondern auch Bandoneon und spielte 1930 neben der Tangolegende Carlos Gardel einen Zeitungsjungen im Film. 1937 kehrten die Piazzollas nach Buenos Aires zurück. Astor beschäftigte sich zwar weiterhin mit Tangos, entschied sich jedoch zunächst für eine klassische Laufbahn. Er studierte bei seinem Landsmann Alberto Ginastera und ging schließlich nach Paris zur berühmten Kompositionslehrerin Nadja Boulanger. „In Wahrheit schämte ich mich, ihr zu sagen, dass ich Tangomusiker war,“ erinnerte er sich später, „dass ich in Bordellen und Kabaretts von Buenos Aires gearbeitet hatte. Tangomusiker war ein schmutziges Wort im Argentinien meiner Jugend. Es war die Unterwelt.“ So strebte er weiter nach den höheren Weihen von Konzertsaal und Opernhaus und schrieb handwerklich gelungene, aber wenig individuelle Partituren im Banne eines Bartók oder Hindemith. Nadja Boulanger entdeckte eines Tages die verheimlichten Tangogelüste ihres allzu braven Schülers und riet ihm, „die gesamte andere Musik“ wegzuwerfen und sich auf seine eigentliche Begabung zu konzentrieren. Piazzolla folgte ihr – freilich ohne die klassischen Kenntnisse zu vergessen. Er kehrte in seine Heimat zurück, gründete das legendäre, aus Klavier, Violine, Gitarre, Bass und Bandoneon bestehende Quintett und formte die längst zum fixen Bestandteil der internationalen Unterhaltungsmusik gewordene Tanzform des Tangos mit Inspiration, Poesie und harmonischem Können zur originären musikalischen Sprache, zum Nuevo Tango. 

Zwei von Piazzollas Meisterstücken bilden den Rahmen dieser CD. Am Beginn steht „Le Grand Tango“, wahrlich ein „großer Tango“, der fast wie eine symphonische Dichtung im Tangotakt anmutet. Sinnliche Lebensfreude hat bei Piazzolla, wie so oft in großer Musik, immer einen doppelten Boden. Die Erotik des Tanzes ist von Melancholie durchwoben. Das Stück schrieb Piazzolla 1982 für den unvergesslichen Meistercellisten Mstislaw Rostropowitsch, der allerdings von seinem argentinischen Musikerkollegen so gut wie nichts wusste und das Geschenk erst 1990 in New Orleans zur Uraufführung brachte. Die Transkription für Cello und Klavier stammt von einer der bedeutendsten (nicht nur) russischen Komponistin unserer Zeit, von Sofia Gubaidulina. Das Ende der Aufnahme bildet ein Gebet der Liebe. Piazzollas instrumentales „Ave Maria“ entstand 1984 im Rahmen der Musik zum Film „Enrico IV“ nach dem Theaterstück von Luigi Pirandello und galt der Schauspielerin Claudia Cardinale. Im Film erklingt das geistliche Lied ohne Worte in Tangoform mit Oboe und Klavier. 

Kenner gehaltvoller populärer Musik verbinden den Titel „Break on Through“ mit Jim Morrison. Johanna Doderer, die bedeutende Komponistin aus Österreich, hat keine Berührungsängste mit dieser Musik, im Gegenteil. Sie schreibt zu ihrem 2015 für Cello und Akkordeon geschaffenen Stück: „Jim Morrison war nicht nur ein Grenzgänger in seinem Leben, sondern auch in seinen Texten und in seiner Musik, die weit über Konventionelles hinaus stets ans Unfassbare reichten.“ Morrison hat Doderer und ihre Musik stark beeinflusst. Der Rhythmus des Songs bildet die Basis ihrer Komposition, die für die Cellistin Harriet Krijgh bestimmt war: „Er bildet den roten Faden zu einem dichten Geflecht, einem an die Grenzen gehenden, rhythmischen Pulsieren.“ Die Version mit Klavier ist nun eine Ersteinspielung, wie auch das folgende Werk. 

Der Australier Gordon Hamilton, geboren 1982, hat die Tragödie des Kriegs um Bosnien nicht direkt miterlebt. Admira Ismić war ein Mädchen aus Sarajevo, Boško Brkić ein junger Mann. Sie liebten einander. Doch sie durften zusammen nicht kommen, denn ihre Familien waren wie einst die von Romeo und Julia verfeindet. Admira war Bosniakin, also muslimische Bosnierin, Boško war Serbe. Das Liebespaar wurde im Krieg getötet. Der Komponist aus einem fernen Kontinent hat daraus 2017 eine innige Tondichtung in vier Sätzen für Geige und Klavier gemacht, Romeo & Juliet in Sarajevo, die er Konstantin Manaev widmete. Es geht um die große Freude junger Liebe, um Sorge und Angst, um dramatisches Geschehen und im Finale um schreckliche Traurigkeit, die im Nichts mündet. Aber aus diesem Nichts strahlt ein unzerstörbares Licht. Hamilton hat keinen Aufschrei komponiert, nicht mit Klangfetzen um sich geworfen. Sein Stück ist eine zeitlose lyrische Klage. 

Der russische Pianist und Komponist Nikolaj Kapustin lebte von 1937 bis 2020 und passt in keine musikideologische Schublade. Sind seine brillanten Stücke mit ihren altmodischen Titeln – Burleske, Elegie, ein naher Walzer – nun „Klassik“ oder „Jazz“? Sie sind beides in einem, schaffen beste Laune, mitunter Nachdenklichkeit. Sie sind sozusagen pure Musik. Sie gehen in den Bauch und in die Seele – und darum passen sie ganz wunderbar in dieses Programm. 

Gottfried Franz Kasparek